Kritiken
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„Liebe und Protest“ Martin Krumbholz in „Theater der Zeit“ über „Frühstück bei Tiffany“ und das Theater Aachen
(...) Bei „Frühstück bei Tiffany“ zeigt sich, wie gut das Ensemble tatsächlich funktioniert. Fünf Spieler, einige davon mit mehreren Rollen - und jede(r) in Hochform. Das meiste Gewicht liegt naturgemäß auf der weiblichen Hauptfigur Holly Golightly, der Audrey-Hepburn-Rolle: Anders als die Ikone der Verfilmung ist Lara Beckmal keine grazile und fragile Erscheinung, eher der handfest-burschikose Typ, aber an Charme fehlt es ihr nicht. Und darauf kommt es ja an. Besonders im Zusammenspiel mit dem männlichen Ich-Erzähler, den Benedikt Voellmy sensibel, hellwach und ohne irgendeinen faulen Zauber interpretiert.
Es geht in der Vorlage von Truman Capote ja ausgiebig um die Frage, welche der auftretenden Figuren nur ein „Fake“ ist und welche „echt“. Holly ist, wenn man so will, das Fake eines Filmstars und in Wahrheit eine (Gelegenheits-) Prostituierte, vielleicht aber auch das Fake einer Dirne und tatsächlich ein zukünftiger Star. Auch wenn es diese Zukunft im Buch, das kein Happy-End hat, nicht geben wird. Vieles bleibt hier uneindeutig. Auch deswegen ist „Frühstück bei Tiffany“ ein so großartiges Buch, vor allem aber, weil es eine wunderbare Liebesgeschichte erzählt - Liebe ohne Sex. Auch so eine Liebe, heißt es, erzeuge Eifersucht. Daher die Konflitktlinien des Stoffs. (...)
Jan Langenheim hat mit Anja Jungheinrich auch die Bühne entworfen: ein variables System aus verschiebbaren Fassaden, Wänden mit Fenstern, wenigen Möbeln - sie wirken wie die Fragmente eines Filmsets. Mit dem gleichnamigen Film von Blake Edwards hat der Abend ansonsten wenig zu tun, er hält sich präzise an das Buch (Capote fand den Film „zum Kotzen“. Langenheim gelingt es, epische Passagen, neben den Dialogen, zu verwenden, ohne dass dieser Aspekt überbewertet wird. An Romanadaptionen nervt ja oft dieser epische (und zugleich didaktische) Gestus, als wohnte man einer Märchenstunde mit verteilten Rollen bei. Davon ist an diesem Abend in der Aachener Kammer nichts zu spüren. Die vielen Szenenwechsel geschehen reibungslos und beiläufig. Die Musik (Malcom Kemp) spielt eine stützende Rolle. (...)
Tiffany ist pure Emotion und Sinnlichkeit. Das signalisiert übrigens, versteckt, schon der Geniestreich des Titels. Selbstverständlich gibt es bei Tiffany kein Frühstück, es handelt sich ja um ein Juweliergeschäft. Der Besuch bei Tiffany & Co ist Hollys Antidepressivum: ein Mittel gegen das „rote Elend“, das wie sie erklärt, viel mehr ist als ein gewöhnlicher „Blues“. Die Geschichte, nicht zu vergessen, spielt mitten im zweiten Weltkrieg: Hollys geliebter Bruder Fred wird fallen. Der junge Ich-Erzähler, ein angehender Schriftsteller, begreift das sofort, Und so, wie Lara Beckmann und Benedikt Voellmy das Paar - das kein „Paar“ ist - in Aachen spielen, versteht es der Zuschauer auch, ohne sich im Mindesten belehrt zu fühlen.
01.05.2017